St. Vincentius (Dinslaken)

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St. Vincentius, von Süden (Mai 2011)
Kirchturm (Nordseite)

Die Pfarrkirche St. Vincentius ist eine römisch-katholische Kirche in der Stadt Dinslaken (Kreis Wesel, Nordrhein-Westfalen). Sie trägt das Patrozinium des heiligen Vinzenz von Valencia und steht unter Denkmalschutz.

Geschichte und Architektur

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Grundriss der alten Kirche (1893)

In Dinslaken bestand ursprünglich nur eine Kapelle, die 1390[1] erstmals erwähnt wurde. 1436 bestätigte der Herzog von Kleve die Abpfarrung Dinslakens von der Mutterkirche in Hiesfeld. 1437 erfolgte erstmals die Erwähnung eines Pfarrers in Dinslaken. In der Mitte des 15. Jahrhunderts schließlich erfolgte der Bau einer eigenen Pfarrkirche. Diese war eine spätgotische dreischiffige Hallenkirche mit 5/8-Chorschluss. Der mächtige Turm wurde seit 1492 bzw. 1512 von zwei Kapellen flankiert und bekam 1924 eine neue Haube in barocken Formen. Dieses Gotteshaus wurde 1945 teilweise zerstört, die erhaltene Bausubstanz wurde in einen erweiterten Wiederaufbau in zeitgenössischen Formen einbezogen.

Die neue, mit ihrem parabelförmigen Chorbogen nach Westen ausgerichtete, flachgedeckte, von einem querliegenden Satteldach überfangene Backsteinhalle wurde 1950–1951 nach Plänen des renommierten Kölner Kirchenarchitekten Otto Bongartz erbaut. Dabei wurden die beiden in Mauerwerk aus Feldbrandziegeln ausgeführten östlichen Joche und der in fünf Seiten eines Achtecks gebrochene Ostchor der Vorgängerkirche einbezogen. Im gotischen Teil wurde beim Neubau der Fußboden erhöht, das Polygon wurde zur Taufkapelle eingerichtet.

Auf dem Hochaltar im neuen Westchor steht ein Schnitz-Retabel aus der Zeit nach 1470 mit bemalten Flügel, das in einer Brüsseler Werkstatt angefertigt wurde. Im Schrein und auf den Innenseiten der Flügel sind Passionsdarstellungen zu sehen. Auf den Flügelaußenseiten sind die vier Evangelisten dargestellt. Der Stipes und die Predella mit Figurenschmuck wurden 1853 von Christoph Stephan gebaut.[2] Der Schrein wurde von 1852 bis 1854 neu polychromiert, die Malereien wurden 1883 restauriert. Von 1950 bis 1952 wurde das neugotische Gesprenge beseitigt.[3][4]

Triumphkreuz, Holz, farbig gefasst, um 1310–40 (Foto 1970)

Die Entstehung des Triumphkreuzes mit einem großen Kruzifixus wird unterschiedlich datiert. Früher hielt man es für eine rheinische Arbeit des beginnenden sogenannten Schönen Stils aus der Zeit um 1400, in dem der Typus der Kölner Gabelkreuze nachempfunden wurde, jüngere Publikationen ordnen es dagegen eher maasländischen Kreuzen der Diözese Lüttich aus der Zeit um 1310/1340 zu.[5][6] Nach Beschädigung im Zweiten Weltkrieg wurde das Kreuz mehrfach (1950, 2010) restauriert, dabei wurden am Korpus Reste einer älteren Farbfassung freigelegt.

Die Orgel wurde 1999 durch die Orgelbauwerkstatt Romanus Seifert in Kevelaer nach einem Konzept des Organisten Wolfgang Seifen erbaut. Das „französisch-romantisch“ disponierte Instrument hat 33 Register auf zwei Manualen und Pedal. Das zweite Manualwerk (Récit) ist schwellbar. Die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen sind elektrisch. Ausgestattet ist die Orgel mit einer 800-fachen elektronischen Setzeranlage.[7]

I Grand-Orgue C–c4
Bourdon 16′
Montre 8′
Flûte harmonique 8′
Salicional 8′
Bourdon 8′
Prestant 4′
Flûte douce 4′
Doublette 2′
Fourniture IV-V 2′
Grand Cornet V 8′
Trompette 8′
Clairon harmonique 4′
Tremblant
II Récit Expressif C–c4
Diapason 8′
Cor de nuit 8′
Viole de Gambe 8′
Voix céleste 8′
Flûte traversière 4′
Nasard harmonique 223
Octavin 2′
Tierce harmonique 135
Trompette harm. 8′
Basson-Hautbois 8′
Voix humaine 8′
Pédale C–g1
Grand Bourdon 32′
Contrebasse 16′
Soubasse 16′
Flûte basse 8′
Bourdon 8′
Flûte 4′
Contrebasson 32′
Bombarde 16′
Trompette 8′
Clairon 4′
  • Koppeln: I/I (Suboktavkoppel), II/I (Normal-, Sub-, Superoktavkoppel), II/II (Sub- und Superoktavkoppel), I/P, II/P (Normal- und Superoktavkoppel)
Originalskulpuren der Drei Kreuze Juli 2007

Seit 1985 standen unter einem Notdach am Kirchturm die so genannten Drei Kreuze. Es sind drei stark verwitterte, spätgotische Skulpturen aus Baumberger Sandstein. Sie stammen wohl, wie auch die Gruppe im westfälischen Metelen, aus einer Weseler Werkstatt. Am ehemaligen Standort an der Walsumer Straße stehen heute Kopien. Ursprünglich war dies der Abschluss eines 1501 gestifteten Bittweges in Wesel. Die Skulpturen wurden 1588 abgebrochen und laut Inschriften 1652 in Dinslaken aufgestellt. Der Christuskopf wurde zu Anfang des 20. Jahrhunderts erneuert. Umfangreiche Restaurierungen wurden von 1966 bis 1967 und von 1984 bis 1985 vorgenommen und am Kirchturm unter einem Schutzdach wieder aufgestellt, aber im Zuge der Turmsanierung abgebaut und eingelagert.

Sonstige Ausstattung

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  • Neugotische geschnitzte Seitenaltäre: Marienaltar 1891/1892 von Ferdinand Langenberg, Josefsaltar um 1853 von Christoph Stephan (Köln, um 1853)
  • Der mit Maßwerk belegte, kelchförmige Taufstein aus dem 15. Jahrhundert ist aus Sandstein. Nach einer Kriegsbeschädigung wurde er stark überarbeitet.
  • Der farbig gefasste Osterleuchter aus Holz wurde 1682 in Form einer gewundenen Säule angefertigt.
  • Zwei geschnitzte Engel als Wappenhalter Christi stammen vom Ende des 15. Jahrhunderts. Die Farbfassung ist zerstört, die Flügel wurden erneuert.
  • Hl. Vinzenz mit einem Kirchenmodell aus Eichenholz, erste Hälfte des 16. Jahrhunderts[8]

Im Turm befinden sich aktuell sechs Glocken, zwei davon (Vincentius und Maria) wurden 1785 auf dem Altmarkt in der Gusshütte der Familie Petit gegossen, die kleinste wurde vermutlich in den Niederlanden gegossen. Die größte Glocke kam 1954 nach dem Wiederaufbau des Turms hinzu, während 2007 zwei Glocken ergänzt wurden, die zuvor in der Christuskirche von Dinslaken gehangen hatten, nach der Schließung und Abriss der Kirche jedoch keine Funktion mehr hatten und daraufhin der Vincentiusgemeinde geschenkt wurden.[9]

Name der Glocke Gießer & Jahr Schlagton Gewicht
Maria Immaculata Feldmann & Marschel 1954 D1 circa 1.600 kg
Vincentius Alexius Petit der Ältere 1785 F#1 800 kg
Maria Alexius Petit der Ältere 1785 A1 440 kg
Christ ist erstanden Petit & Edelbrock 1971 H1 320 kg
Oh Land,Land,Land,höre des Herrn Wort (neue Angelusglocke) Petit & Edelbrock 1971 C#2 285 kg
Alte Angelusglocke Fredericus & Everhardi Petit 1787 D2 170 kg
  • Paul Clemen: Die Kunstdenkmäler der Stadt Duisburg und der Kreise Mülheim a. d. Ruhr und Ruhrort. (= Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Band 2, Abt. 2.) L. Schwann, Düsseldorf 1893.
  • Roland Günter, Rudolf Wesenberg, Albert Verbeek (Hrsg.): Kreis Dinslaken. (= Die Denkmäler des Rheinlandes, Band 14.) Rheinland Verlag / L. Schwann Verlag, Düsseldorf 1968.
  • Rudolf Stampfuß, Anneliese Triller: Geschichte der Stadt Dinslaken 1273–1973. (= Beiträge zur Geschichte und Volkskunde des Kreises Dinslaken am Niederrhein, Band 10.) Verlag Ph. C. W. Schmidt – Degner & Co., Neustadt / Aisch 1973.
  • Ulrich Reinke: Spätgotische Kirchen am Niederrhein im Gebiet von Rur, Maas und Issel zwischen 1340 und 1540. Dissertation, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 1975.
  • Claudia Euskirchen, Olaf Gisbertz, Ulrich Schäfer (Bearb.): Dehio-Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Nordrhein-Westfalen I, Rheinland. Deutscher Kunstverlag, München / Berlin 2005, ISBN 3-422-03093-X.
  • Willi Dittgen: Die Pfarrkirche St. Vincentius in Dinslaken, Köln, Rheinischer Verein f. Denkmalpflege u. Landschaftsschutz, 1981.
  • Willi Dittgen: Stationen, 550 Jahre St. Vincentius Dinslaken, Koeller und Franke, Dinslaken, 1986.
  • Willy Aretz u. Eduard Besselmann: Geschichte der katholischen Pfarrkirche in Dinslaken, Selbstverlag, Dinslaken, 1931.
  • N.N.: Unsere S(ank)t Vinzenz-Pfarrgemeinde – Dinslaken, Düsseldorf, St. Mariengemeinde, 1939.

Einzelnachweise

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  1. Günter 1968, S. 19.
  2. Ulrich Becker: Beobachtungen zum Hochaltar der Pfarrkirche St. Vincentius in Dinslaken und zu seiner Stellung in der flämischen Retabelproduktion des 15. Jahrhunderts. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 1989. S. 115–140, hier S. 117.
  3. Alfred Löhr: Der Dinslakener Altar und seine Brüsseler Werkstatt. In: Dinslakener Jahrbuch 1970. S. 107–110. (Digitalisat (Memento vom 20. September 2016 im Internet Archive))
  4. Ulrich Becker: Beobachtungen zum Hochaltar der Pfarrkirche St. Vincentius in Dinslaken und zu seiner Stellung in der flämischen Retabelproduktion des 15. Jahrhunderts. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 1989. S. 115–140.
  5. So zuerst bei Alfred Löhr: Der Kruzifixus von St. Vincentius. In: Jahrbuch Kreis Dinslaken, Band 29 (1972), S. 62–71.
  6. Ausführlich, auch zu den enthaltenen Reliquien: https://www.katholische-kirche-dinslaken.de/page/2_kirche_39_de_.html
    weitere Bilder: https://www.bildindex.de/document/obj20186991
  7. Das Instrument – Orgelkonzerte St. Vincentius. Abgerufen am 23. Juli 2021 (deutsch).
  8. Claudia Euskirchen, Olaf Gisbertz, Ulrich Schäfer (Bearb.): Dehio-Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Nordrhein-Westfalen, Band I: Rheinland. Deutscher Kunstverlag, München / Berlin 2005, ISBN 3-422-03093-X, Seite 138.
  9. Dinslakener Geschichte: 2007 Evangelische Glocken rufen Katholiken zum Gottesdienst
Commons: St. Vincentius – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 51° 33′ 38,7″ N, 6° 43′ 58,9″ O